Des Herren Weltenblick wurde auch geprägt durch Wolldecken, die, mit Wäscheklammern an einem kleinen Tisch befestigt, eine Ausblickshöhle bildeten. In dieser Ausblickshöhle sitzend, konnte er als Bub in die Zimmerwelten sehen. Er sah durch den Lichtspalt zwischen den herabhängenden Wolldecken, roch die Buntstifte, mit denen er die Tapetenwand unter dem Tisch bemalt hatte und das Bohnerwachs, mit dem der Dielenboden bearbeitet worden war.
Noch heute verbindet er sehen mit riechen und umgekehrt intensiviert er seine Seherfahrungen mit Gerüchen. Leise saß er oft stundenlang unter diesem, mit Wolldecken verhangenen, Tisch, wechselte nur manchmal die Perspektiven vom Sitzen zum Liegen. Dabei änderte sich die Zimmerwelt radikal. Aus der Liegeposition heraus beobachtet, waren die Schuhe eines Vorübergehenden riesig und laut. In ihrer Bewegung des Auftretens glichen sie einem Maul, das den Boden verschlucken will. Und, es waren Schuhe, in denen ein Stück Bein steckte, das von den Schuhen vorwärts getragen wurde. Der Dielenboden knarrte und wenn der junge Herr sein Ohr an den Holzboden presste. Wurde das Knarren so intensiv wie ein aufziehendes Gewitter. Wie sich bei einem Gewitter oft der Geruch des Regens mit dem ersten Donner verbindet, so verband sich der Bohnerwachs Geruch des Holzbodens mit dem Knarren der Schuhtritte. Und dann die plötzliche Stille, wenn die Schuhe stehen blieben, das leise Schleifen, wenn sie sich auf der Stelle drehten. Den Atem anhalten, nur nicht husten, um nicht entdeckt zu werden, damit Zeit bleibt, aus der eigenen Unsichtbarkeit heraus das Vorgehen weiter zu beobachten.
Entdeckt werden bedeutete immer das Ende dieser Weltensicht, war begleitet vom Aufruf zur Folgsamkeit. Wo vorher durch den Spalt der Wolldecken die Objekte der Beobachtung frei gewählt werden konnten, wurden nach dem Entdecken ein Weltbild vorgegeben und befohlen. „Trag den Müll nach unten, geh‘ Milch holen, mach dies oder jenes…“ Mit dem befohlenen Fokus auf Müll, Milch oder sonst etwas war nur noch eine kleine Welt. Mit der Vorschrift: „Konzentriere Deine Sinne nur noch auf das …“ erfolgten Weltreduktionen und damit die Reduktion der Fähigkeiten des jungen Herrn. „Vergesse alles andere, konzentriere Dich nur noch auf dies oder jenes!“ Wie oft war der junge Herr dieser Aufforderung gefolgt, hatte brav alles andere vergessen, hatte dieses Vergessen eingeübt, zur Fähigkeit ausgebildet. Bis er auf Befehl alles vergessen konnte, auch und vor allem sich selbst. Dann war er nicht mehr Teil der Welt, war er nicht mehr Geruch der Farbkreiden und des Bohnerwachses, nicht mehr Perspektive der auftretenden Schuhe, Lichtstrahl durch die Wollvorhänge, dann war er reduziert auf eine einzige Handlung, alles andere vergessend.